Betreff
Umsetzung § 2 b UStG
Vorlage
01/621/V/457/2022
Aktenzeichen
5.1/FK
Art
Beschlussvorlage ohne DV

Sachverhalt:

 

A. Hintergrund und Anlass

Ende 2016 wurde mit Einführung des neuen § 2b UStG die Rechtsgrundlage für die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand grundlegend neu geregelt und mit einer optionalen Übergangsfrist bis Ende 2020 versehen. Diese Übergangsfrist wurde im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie bis Ende 2022 verlängert. Hintergrund waren die Anforderungen aus dem einheitlichen europäischen Mehrwertsteuersystem. Unsere Verbandsgemeinde einschließlich der Ortsgemeinden haben mit der sog. Optionserklärung die Übergangsfrist in Anspruch genommen, so dass bis Ende 2022 noch nach altem Recht verfahren wird.

Ab dem Veranlagungsjahr 2023 ist zwingend nach dem neuem Recht § 2b UStG zu verfahren.

Mit der Änderung findet ein grundlegender Paradigmenwechsel der für die Geltung des Umsatzsteuerrechts maßgeblichen Einstufung als Unternehmer statt.

 

Bisher war eine juristische Person des öffentlichen Rechts nur dann Unternehmer, soweit ein BgA im Sinne des Körperschaftssteuergesetzes vorlag (Einnahmeerzielung, Umsatz über 35.000 Euro pro Jahr) sowie im Rahmen ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe. Für alle übrigen Tätigkeiten war die jPöR kein Unternehmer, daher auch keine Relevanz der Umsatzsteuer.

Nach neuem Recht verhält es sich umgekehrt: Eine jPöR gilt grundsätzlich als Unternehmer, nur in bestimmten Ausnahmefällen nicht mehr. Diese Ausnahmefälle sind insbesondere die Ausübung öffentlicher Gewalt (hoheitliche Aufgaben), Tätigkeiten unter einer Bagatellgrenze sowie der Leistungsaustausch mit anderen jPöR (z.B. interkommunale Kooperation), jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Diese Änderungen führen u.a. dazu, dass

     insbesondere Tätigkeiten im Bereich der sog. Vermögensverwaltung (bisher keine Umsatzsteuer) neu zu prüfen sind;

     sämtliche Leistungsaustausche auf Basis privatrechtlicher Verträge grundsätzlich immer der Umsatzsteuer unterliegen;

     letztlich alle Leistungsaustausche mit anderen jPöR steuerlich nach den neuen Regelungen neu zu überprüfen und zu bewerten sind.

 

Unverändert bleiben insbesondere:

     Steuerbefreiungstatbestände nach § 4 UStG (insbesondere Vermietung/Verpachtung, Leistungen im Bildungsbereich und der Jugendhilfe u.a.m.);

     die Besteuerung der kommunalen Forstbetriebe (Pauschal- oder Regelbesteuerung);

     die Umsatzbesteuerung kraft Rechtsform (insbesondere kommunale GmbH);

     die Umsatzbesteuerung der sog Katalogtätigkeiten (Energie, Wasser, ÖPNV uam).

B. Ordnungsgemäße Umsetzung der neuen steuerlichen Pflichten

Die Verwaltung ist dabei notwendige Vorbereitungen zu treffen, um ab 2023 eine ordnungsgemäße Umsetzung der neuen umsatzsteuerlichen Pflichten sicherstellen zu können.

Dazu werden alle Umsätze der Verbandsgemeinde und der Ortsgemeinden inkl. der Rechtsgrundlagen erfasst und in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Dr. Burret, Ludwigshafen, auf eine mögliche Steuerrelevanz überprüft. 

Die Verwaltung will die ordnungsgemäße Umsetzung der neuen umsatzsteuerlichen Pflichten soweit wie möglich sicherstellen. Dazu wird sie die notwendigen organisatorischen und personellen Voraussetzungen schaffen. Ziel ist es, Erklärungsfristen fristgerecht einzuhalten und ggf. auftretende Fehler aufzuspüren, zu korrigieren und künftig zu vermeiden. Nicht zuletzt liegt die ordnungsgemäße Umsetzung in unserem originären eigenen Interesse:

1.   Eine nicht ordnungsgemäße Umsetzung der steuerlichen Erklärungspflichten kommt spätestens im Rahmen einer Außenprüfung (Betriebsprüfung) zu Tage. Wurden Steuern nicht oder nicht richtig erklärt, kann dies zu Steuernachzahlungen führen; geschah dies fahrlässig, ist schlimmstenfalls mit Strafzahlungen oder strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Nach- und Strafzahlungen können zudem u.U. zu außerplanmäßigen Haushaltsbelastungen führen.

2.   Als Kommunen steht unser Verwaltungshandeln in besonderer Weise im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Negative Schlagzeilen wegen Steuerstrafsachen würden unsere Reputation und unserem Image schaden. Solche Risiken wollen wir daher minimieren.

3.   Das neue Recht enthält auch eine Reihe von neuen Chancen einer steuerlich für uns vorteilhaften Ausgestaltung unserer kommunalen Leistungen und Tätigkeiten.
Zu denken ist hier insbesondere an die Potenziale des Vorsteuerabzugs bei Investitionen. Diese Chancen sollten wir im Hinblick auf die (teils) schwierige Lage der kommunalen Haushalte nutzen.

 

Hierfür gilt es, bis Ende 2022 insbesondere folgende Maßnahmen zu ergreifen:

     Sensibilisierung aller Mitarbeiter der Verwaltung.

     Mitwirkung auch des Ehrenamts, insbesondere der Ortsbürgermeister bzw. Beigeordneten, durch aktive Mitteilung geplanter Vorhaben und Verträge an die Verwaltung zum Zweck der - idealerweise vorherigen(!) - steuerlichen Bewertung.

     Etablierung eines Vertragsmanagements.

     Umsetzung der notwendigen Anpassungen der Aufbauorganisation (Stellen, Personen, Funktionen, Aufgaben) wie auch der Ablauforganisation (Dienstanweisungen, Zeichnungsberechtigungen u.a.m.).

Zur Umsetzung ist beabsichtigt, ein sog. Tax-Compliance-Managementsystem (TCMS) einzuführen. Es handelt sich dabei um ein innerbetriebliches Kontrollsystem.

Das TCMS dient nicht zuletzt auch der rechtlichen Absicherung: Nach § 153 AO schützt ein solches innerbetriebliches Kontrollsystem zumindest als Indiz vor dem Vorwurf der Leichtfertigkeit oder des Vorsatzes der Steuerverkürzung bzw. -hinterziehung.