Betreff
Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand ab 2017 (§2 b Umsatzsteuergesetz) hier: Ausübung des Wahlrechts nach § 27 Abs. 22 Umsatzsteuergesetz
Vorlage
01/336/V/230/2016
Aktenzeichen
5.1/FK
Art
Beschlussvorlage ohne DV

Sachverhalt:

 

Durch Einführung des neuen § 2 b in das Umsatzsteuergesetz (UStG) mit Wirkung ab 01.01.2017 wurde die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand grundlegend neu geregelt  und an europäisches Recht angepasst. Der bisher für die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand maßgebliche § 2    Abs. 3 UStG wurde gestrichen und durch den neuen § 2 b UStG ersetzt. Hiermit verbunden ist eine weitreichende Veränderung der Umsatzbesteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts (nachfolgend: jPdöR genannt). Im kommunalen Bereich sind das insbesondere die  kommunalen Gebietskörperschaften, die Zweckverbände und die Jagdgenossenschaften. Der Gesetzgeber hat in § 27 Abs. 22 UStG eine Übergangsregelung in der Form vorgesehen, dass die von der Neuregelung betroffenen jPdöR das Wahlrecht haben, ob sie das neue Recht bereits ab 2017 anwenden wollen oder noch bis einschließlich des Jahres 2020 nach bisherigem Recht (§ 2 Abs. 3 UStG alte Fassung) behandelt werden wollen.

 

Zu entscheiden ist, ob die Gemeinde von diesem Wahlrecht Gebrauch macht.  Hierzu ist ein Ratsbeschluss erforderlich. Soweit vom Wahlrecht Gebrauch gemacht werden soll, ist eine entsprechende Erklärung bis zum 31.12.2016 gegenüber dem jeweils zuständigen Finanzamt abzugeben (absolute Ausschlussfrist). Die Erklärung kann jederzeit mit Wirkung ab dem jeweiligen Folgejahr widerrufen werden, gegebenenfalls sogar rückwirkend.

 

Bisherige Rechtslage und Historie

 

Hinsichtlich der unternehmerischen Betätigung auf der Ebene der jPdöR und damit auch der kommunalen Gebietskörperschaften war bislang § 2 Abs. 3 UStG maßgebend. Danach sind jPdöR nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (nachfolgend: BgA genannt) im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr.  6 und § 4 Körperschaftssteuergesetz sowie ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig.

 

In Folge der Anknüpfung an den BgA-Begriff unterlagen Tätigkeiten aus dem Bereich der Vermögensverwaltung (z. B. die Jagdverpachtung) bislang nicht der Umsatzsteuer. Weiterhin waren wirtschaftliche Tätigkeiten, die von jPdöR unterhalb der ertragssteuerlich für BgA’s geltenden Bagatellgrenze von 30.678,00 € (neu seit 2016: 35.000,00 €) bezogen auf den nachhaltigen Jahresumsatz auch nicht der Umsatzsteuer unterworfen. Diese „Nichtaufgriffsgrenze“  konnte für verschiedene Tätigkeiten mehrfach und gesondert angewendet werden. 

 

Der Bundesfinanzhof hat sich in den letzten Jahren  in mehreren Urteilen zur Besteuerung der öffentlichen Hand geäußert, so dass für den Gesetzgeber die Notwendigkeit bestand, die gesetzlichen Regelungen zu bearbeiten und an europäisches Recht anzupassen.

 

Eckpunkte zur Reform der  Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand

 

Die für die Annahme der Unternehmereigenschaft maßgebliche Vorschrift des § 2 Abs. 3 UStG wurde nunmehr gestrichen und durch den neuen § 2 b UStG ersetzt.

 

§ 2 b UStG befasst sich nur noch mit der Frage der Steuerbarkeit von Tätigkeiten, die den jPdöR im Rahmen der sogenannten „öffentlichen Gewalt“ obliegen. Zukünftig gelten demnach für privatrechtliche Tätigkeiten jPdöR uneingeschränkt die allgemein gültigen Regelungen des Umsatzsteuergesetzes. Der Begriff „Betrieb gewerblicher Art“ ist für die Frage der Umsatzsteuerpflicht der jPdöR nicht mehr relevant. Auch die bisher generell steuerbefreite Vermögensverwaltung unterliegt spätestens ab 2021 den allgemein gültigen Regelungen des Umsatzsteuergesetzes (vgl. aber  Befreiungsnormen gem. § 4 UStG).

 

Nur die im Rahmen „öffentlicher Gewalt“ erbrachten Leistungen können nach den Neuregelungen des § 2 b UStG von der Umsatzsteuer ausgenommen sein. Dies wiederum gilt jedoch nicht, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

 

Der neue § 2 b UStG enthält viele unbestimmte Rechtsbegriffe und ist daher momentan mit ungeklärten Zweifelsfragen behaftet. Hier besteht ein deutlicher Interpretations- und Auslegungsbedarf durch die Finanzverwaltung. Es wurde hierzu ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (nachfolgend: BMF-Schreiben genannt) angekündigt, welches aber voraussichtlich erst Ende 2016 erscheinen wird. Unklar ist auch, ob dieses tatsächlich bereits alle notwendigen Klarstellungen enthalten wird. Das BMF-Schreiben ist unabdingbare Voraussetzung für den weiteren Umstellungsprozess.

 

Folge für die kommunalen Gebietskörperschaften

 

Aufgrund der bisherigen „Nichtaufgriffsgrenze“ in Höhe von 30.678,00 € (neu: 35.000,00 €) – bezogen auf gleichartige Tätigkeiten – waren in der Vergangenheit allenfalls in Ausnahmefällen klar abgrenzbare Tätigkeiten von der Umsatzsteuer betroffen. Dies wird sich durch den vollzogenen Systemwechsel spätestens ab 2021 gravierend ändern.

 

Es wird zwingend erforderlich sein, alle Umsätze auf privatrechtlicher Grundlage vollständig zu erfassen, um die Steuerrelevanz nach den allgemein gültigen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes prüfen zu können (z. B. Anwendung von Steuerbefreiungsvorschriften oder der sogenannten Kleinunternehmerregelung von 17.500,00 € für alle Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit).Die Verschärfung der Umsatzbesteuerung macht insofern umfängliche Vorbereitungsarbeiten notwendig, die spätestens 2020 abgeschlossen sein müssen. Eine steuerfachliche Beratung wird sich häufig nicht verhindern lassen, um das Risiko der Rechtsfolgen bei Verstößen gegen steuerliche Vorschriften zu vermeiden.      

 

Optionsmöglichkeit gem. § 27 Abs. 22 UStG

 

Der neue § 2 b UStG gilt ab dem 01. Januar 2017. Die Neuausrichtung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand stellt einen deutlichen Paradigmenwechsel dar. Deshalb wurde im neuen § 27 Abs. 22 UStG eine Übergangsregelung geschaffen, die es den Betroffenen ermöglicht, die bisherige Rechtslage bis einschließlich des Jahres 2020 fortzuführen. Dieses Wahlrecht kann nur einheitlich für alle Umsätze der jPdöR (d. h. der Gemeinde, des Zweckverbandes, der Jagdgenossenschaft usw.) ausgeübt werden (kein „Rosinenpicken“). Eine entsprechende Erklärung muss dem zuständigen Finanzamt spätestens bis zum 31.12.2016 vorgelegt werden (die Ausübung des Wahlrechts ist danach nicht mehr möglich).

 

Für die Ausübung des Wahlrechts sprechen insbesondere

-       die Vielzahl von Rechtsunsicherheiten (unbestimmte Rechtsbegriffe, deren konkrete Auslegung bisher nicht einmal ansatzweise vorgenommen wurde bzw. erkennbar ist)

-       die vorgenannte Möglichkeit des Widerrufs (das Wahlrecht kann nach 2016 jederzeit  widerrufen werden)

-       der Umstand, dass es bisher keine Checkliste bzw. Fragebögen zur Ermittlung der umsatzsteuerrelevanten Leistungen gibt

-       dass die Erfassung und Bewertung aller Leistungen einen erheblichen Personal- und Zeitaufwand (inkl. steuerfachlicher Beratung bzw. verbindliche Anfragen in Einzelfällen an das Finanzamt) in Anspruch nehmen wird

 

Der Gemeinde- und Städtebund empfiehlt vor diesem Hintergrund seinen Mitgliedern vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Auch auf Kreisebene haben sich in einer Arbeitstagung alle Kämmerer für eine Ausübung des Wahlrechts ausgesprochen. Innerhalb einer Verbandsgemeinde empfiehlt es sich alleine aus verwaltungspraktischen Gründen ohnehin, das Wahlrecht einheitlich auszuüben.

 

 

 

 

Die Abgabe der Erklärung gegenüber dem Finanzamt gem. Ratsbeschluss wird gebündelt sowie frist- und formgerecht durch die Verwaltung erledigt. Die diesbezüglichen konkreten Verfahrensregelungen werden noch vom Gemeinde- und Städtebund mit der Finanzverwaltung abgestimmt.

 

 


Beschlussvorschlag

 

Der Haupt- und Finanzausschuss empfiehlt dem Verbandsgemeinderat mit …. Ja-Stimmen, …. Nein-Stimmen, …. Enthaltungen, das Wahlrecht nach § 27 Abs. 22 UStG 2016 auszuüben. Die Verwaltung wird beauftragt, die entsprechende Erklärung gem. den Vorgaben der Finanzverwaltung bzw. den ergänzenden Hinweisen des Gemeinde- und Städtebundes frist- und formgerecht abzugeben.