Durch Einführung des neuen § 2 b in das Umsatzsteuergesetz (UStG) mit
Wirkung ab 01.01.2017 wurde die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand
grundlegend neu geregelt und an
europäisches Recht angepasst. Der bisher für die Umsatzbesteuerung der
öffentlichen Hand maßgebliche § 2 Abs.
3 UStG wurde gestrichen und durch den neuen § 2 b UStG ersetzt. Hiermit
verbunden ist eine weitreichende Veränderung der Umsatzbesteuerung der
juristischen Personen des öffentlichen Rechts (nachfolgend: jPdöR genannt). Im
kommunalen Bereich sind das insbesondere die
kommunalen Gebietskörperschaften, die Zweckverbände und die
Jagdgenossenschaften. Der Gesetzgeber hat in § 27 Abs. 22 UStG eine
Übergangsregelung in der Form vorgesehen, dass die von der Neuregelung betroffenen
jPdöR das Wahlrecht haben, ob sie das neue Recht bereits ab 2017 anwenden
wollen oder noch bis einschließlich des Jahres 2020 nach bisherigem Recht (§ 2
Abs. 3 UStG alte Fassung) behandelt werden wollen.
Zu entscheiden ist, ob die Gemeinde von diesem Wahlrecht Gebrauch
macht. Hierzu ist ein Ratsbeschluss
erforderlich. Soweit vom Wahlrecht Gebrauch gemacht werden soll, ist eine
entsprechende Erklärung bis zum 31.12.2016 gegenüber dem jeweils zuständigen Finanzamt
abzugeben (absolute Ausschlussfrist). Die Erklärung kann jederzeit mit Wirkung
ab dem jeweiligen Folgejahr widerrufen werden, gegebenenfalls sogar
rückwirkend.
Bisherige Rechtslage und Historie
Hinsichtlich der unternehmerischen Betätigung auf der Ebene der jPdöR
und damit auch der kommunalen Gebietskörperschaften war bislang § 2 Abs. 3 UStG
maßgebend. Danach sind jPdöR nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art
(nachfolgend: BgA genannt) im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 Körperschaftssteuergesetz sowie
ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig.
In Folge der Anknüpfung an den BgA-Begriff unterlagen Tätigkeiten aus
dem Bereich der Vermögensverwaltung (z. B. die Jagdverpachtung) bislang nicht
der Umsatzsteuer. Weiterhin waren wirtschaftliche Tätigkeiten, die von jPdöR
unterhalb der ertragssteuerlich für BgA’s geltenden Bagatellgrenze von
30.678,00 € (neu seit 2016: 35.000,00 €) bezogen auf den nachhaltigen
Jahresumsatz auch nicht der Umsatzsteuer unterworfen. Diese
„Nichtaufgriffsgrenze“ konnte für
verschiedene Tätigkeiten mehrfach und gesondert angewendet werden.
Der Bundesfinanzhof hat sich in den letzten Jahren in mehreren Urteilen zur Besteuerung der
öffentlichen Hand geäußert, so dass für den Gesetzgeber die Notwendigkeit
bestand, die gesetzlichen Regelungen zu bearbeiten und an europäisches Recht
anzupassen.
Eckpunkte zur Reform der
Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand
Die für die Annahme der Unternehmereigenschaft maßgebliche Vorschrift
des § 2 Abs. 3 UStG wurde nunmehr gestrichen und durch den neuen § 2 b UStG
ersetzt.
§ 2 b UStG befasst sich nur noch mit der Frage der Steuerbarkeit von
Tätigkeiten, die den jPdöR im Rahmen der sogenannten „öffentlichen Gewalt“
obliegen. Zukünftig gelten demnach für privatrechtliche Tätigkeiten jPdöR
uneingeschränkt die allgemein gültigen Regelungen des Umsatzsteuergesetzes. Der
Begriff „Betrieb gewerblicher Art“ ist für die Frage der Umsatzsteuerpflicht
der jPdöR nicht mehr relevant. Auch die bisher generell steuerbefreite
Vermögensverwaltung unterliegt spätestens ab 2021 den allgemein gültigen
Regelungen des Umsatzsteuergesetzes (vgl. aber
Befreiungsnormen gem. § 4 UStG).
Nur die im Rahmen „öffentlicher Gewalt“ erbrachten Leistungen können
nach den Neuregelungen des § 2 b UStG von der Umsatzsteuer ausgenommen sein.
Dies wiederum gilt jedoch nicht, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu
größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Der neue § 2 b UStG enthält viele unbestimmte Rechtsbegriffe und ist
daher momentan mit ungeklärten Zweifelsfragen behaftet. Hier besteht ein
deutlicher Interpretations- und Auslegungsbedarf durch die Finanzverwaltung. Es
wurde hierzu ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (nachfolgend:
BMF-Schreiben genannt) angekündigt, welches aber voraussichtlich erst Ende 2016
erscheinen wird. Unklar ist auch, ob dieses tatsächlich bereits alle
notwendigen Klarstellungen enthalten wird. Das BMF-Schreiben ist unabdingbare
Voraussetzung für den weiteren Umstellungsprozess.
Folge für die kommunalen Gebietskörperschaften
Aufgrund der bisherigen „Nichtaufgriffsgrenze“ in Höhe von 30.678,00 €
(neu: 35.000,00 €) – bezogen auf gleichartige Tätigkeiten – waren in der
Vergangenheit allenfalls in Ausnahmefällen klar abgrenzbare Tätigkeiten von der
Umsatzsteuer betroffen. Dies wird sich durch den vollzogenen Systemwechsel
spätestens ab 2021 gravierend ändern.
Es wird zwingend erforderlich sein, alle Umsätze auf privatrechtlicher
Grundlage vollständig zu erfassen, um die Steuerrelevanz nach den allgemein
gültigen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes prüfen zu können (z. B.
Anwendung von Steuerbefreiungsvorschriften oder der sogenannten
Kleinunternehmerregelung von 17.500,00 € für alle Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit).Die Verschärfung der
Umsatzbesteuerung macht insofern umfängliche Vorbereitungsarbeiten notwendig,
die spätestens 2020 abgeschlossen sein müssen. Eine steuerfachliche Beratung
wird sich häufig nicht verhindern lassen, um das Risiko der Rechtsfolgen bei
Verstößen gegen steuerliche Vorschriften zu vermeiden.
Optionsmöglichkeit gem. § 27 Abs. 22 UStG
Der neue § 2 b UStG gilt ab dem 01. Januar 2017. Die Neuausrichtung der
Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand stellt einen deutlichen
Paradigmenwechsel dar. Deshalb wurde im neuen § 27 Abs. 22 UStG eine
Übergangsregelung geschaffen, die es den Betroffenen ermöglicht, die bisherige
Rechtslage bis einschließlich des Jahres 2020 fortzuführen. Dieses Wahlrecht
kann nur einheitlich für alle Umsätze der jPdöR (d. h. der
Gemeinde, des Zweckverbandes, der Jagdgenossenschaft usw.) ausgeübt werden
(kein „Rosinenpicken“). Eine entsprechende Erklärung muss dem zuständigen
Finanzamt spätestens bis zum 31.12.2016 vorgelegt werden (die Ausübung des
Wahlrechts ist danach nicht mehr möglich).
Für die Ausübung des Wahlrechts sprechen insbesondere
-
die
Vielzahl von Rechtsunsicherheiten (unbestimmte Rechtsbegriffe, deren konkrete
Auslegung bisher nicht einmal ansatzweise vorgenommen wurde bzw. erkennbar ist)
- die vorgenannte Möglichkeit des
Widerrufs (das Wahlrecht kann nach 2016 jederzeit widerrufen werden)
- der Umstand, dass es bisher keine
Checkliste bzw. Fragebögen zur Ermittlung der umsatzsteuerrelevanten Leistungen
gibt
- dass die Erfassung und Bewertung
aller Leistungen einen erheblichen Personal- und Zeitaufwand (inkl.
steuerfachlicher Beratung bzw. verbindliche Anfragen in Einzelfällen an das
Finanzamt) in Anspruch nehmen wird
Der Gemeinde- und Städtebund empfiehlt vor diesem Hintergrund seinen
Mitgliedern vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Auch auf Kreisebene haben sich in
einer Arbeitstagung alle Kämmerer für eine Ausübung des Wahlrechts
ausgesprochen. Innerhalb einer Verbandsgemeinde empfiehlt es sich alleine aus
verwaltungspraktischen Gründen ohnehin, das Wahlrecht einheitlich auszuüben.
Die Abgabe der Erklärung gegenüber dem Finanzamt gem. Ratsbeschluss
wird gebündelt sowie frist- und formgerecht durch die Verwaltung erledigt. Die
diesbezüglichen konkreten Verfahrensregelungen werden noch vom Gemeinde- und
Städtebund mit der Finanzverwaltung abgestimmt.
Der
Verbandsgemeinderat beschloss einstimmig das Wahlrecht nach § 27 Abs. 22 UStG
2016 auszuüben. Die Verwaltung wird beauftragt, die entsprechende Erklärung
gemäß den Vorgaben der Finanzverwaltung bzw. den ergänzenden Hinweisen des
Gemeinde- und Städtebundes frist- und formgerecht abzugeben.
Ratsmitglied Sonja Keßler war während der Abstimmung nicht im Sitzungssaal.